Iko Andrae - Songs




Stiekelstrüük – Stachelsträucher – Das Leben ist ein oft dorniger Weg - und warum ich trotzdem sehr dankbar bin!

Der Titel Stiekelstrüük bedeutet übersetzt Stachelstrauch und meint im Text von Verlaten Plaasterstraten den Sanddorn-Busch mit seinen stacheligen Ästen. Dieser niederdeutsche Text ist einer von insgesamt 19 meines Vaters Oswald Andrae, die ich für mein erstes plattdeutsches Album vertont habe, zusammen mit Michael Jungblut und Bahli Bahlmann.
Die Songs haben wir 2009/10 überwiegend live eingespielt, zum Teil im großen Foyer des Elisabeth-Anna-Palais, in dem das Oldenburgische Sozialgericht untergebracht ist. Der Saal hat eine fast sakrale Akustik. Inspiriert durch die Trinity-Sessions-LP der kanadischen Band Cowboy Junkies suchten wir genau solch einen Raumklang, in dem wir dann nur noch zu flüstern wagten, weil alles andere im Hall untergegangen wäre.
Dass ich plattdeutsch singe, ist meiner Mutter geschuldet und ich bin ihr heute sehr dankbar dafür. Für eine offizielle Feier zum 80.Geburtstag meines Vaters bat sie mich um einen Beitrag. „Du hast doch da mal was vertont“! Tatsächlich hatte ich meine jungen Jahre eher damit verbracht, einen großen Bogen um das Schaffen meines Vaters zu machen und wollte lieber etwas eigenes auf die Beine stellen.
Aber als folgsamer Sohn machte ich mich ans Werk und tauchte dabei tief ein in die Lyrik von Oswald Andrae. Was ich dort entdeckte, waren ziemlich intime Blicke in das Innerste eines Mannes, den ich vorher so noch nicht kannte, zarte, verletzliche, aber auch wütende und sinnliche Seiten, die er mir so nicht gezeigt hatte, oder, die ich als Kind und Jugendlicher nicht sehen wollte. Also lernte ich über die Vertonung der Texte von Oswald Andrae meinen Vater neu kennen und auch dafür bin ich sehr dankbar.
Die CD „Stiekelstrüük“ wurde veröffentlicht beim Künstler-Label Artychoke von Ballou Brandt in Neustadtgödens. Ballou ist ein alter Freund meines Vaters. Seine Band Laway ist nach seinem gleichnamigen Theaterstück benannt. Ballou unterstützte mich bei der Produktion meines Albums und nahm mich nach Veröffentlichung mit auf eine kleine Tournee. Auch dafür bin ich sehr dankbar!



Iko Andrae – Stiekelstrüük - Liederbestenliste
Empfohlen von: Rainer Hannes, Baden-Baden:

Übern s-pitzen S-tein s-tolpert bald niemand mehr. Dialekt sprechen ist in Deutschland, im Norden wie im Süden, nicht mehr angesagt. So eine dpa-Meldung Mitte November 2010. Der Grund für das drohende Aussterben: Im Beruf ist heute die Aussprache wichtiger als zu den Zeiten, in denen vorwiegend mit den Händen gearbeitet wurde. Mobilität + Informationsgesellschaft + Globalisierung = Entregionalisierung? Na, mal sehn. Totgesagte leben bekanntlich länger. Und was ist mit denen, die mehr als Dialekt sprechen, nämlich eine eigene zweite Sprache wie das Plattdeutsch? Die tun was. Iko Andrae zum Beispiel. Der, so der Pressetext, in Oldenburg lebende Musiker, Pädagoge, Weltenbummler und Buchautor gibt Konzertlesungen unter dem Motto „Riet dien Muul up!“ (nicht schwer zu übersetzen: Reiß dein Maul auf!). Dies war auch das Lebensmotto seines Vaters Oswald Andrae (1926-1997), eines Lyrikers aus Jever, der ab den 1960ern die niederdeutsche Dichtung entstaubte. Neunzehn satirische, politische und auch (liebes-)melancholische Texte seines Vaters hat Sohn Iko auf der CD Stiekelstrüük vertont (auf Anhieb kaum zu übersetzen: „Stachelstrauch“). Im Booklet sind alle Texte auf Plattdeutsch mitzulesen, und es ist eine wirklich spannende Entdeckungsreise, sprich: Bildung plus Vergnügen, in diese Sprache einzutauchen, die Texte zu erahnen, zu erraten, zu grübeln, manches auch – wie oft in lyrischen Texten – einfach stehen zu lassen, wie sie sind. „An´t open Füür“ ist so ein Lied: am offenen Feuer sich wärmen, Champagner trinken, essen und „Vietnam vergessen“, nicht von Blut sprechen. Wer sind die, die da am Feuer stehen? Oder sich erzählen zu lassen: „Ik  seegh över Bargen mank all mien Drööm den Mand. He is an´t Rieden.“ (Ich seh über Bergen zwischen all meinen Träumen den Mond. Der reitet.) Fremd und zugleich vertraut hören sich die Lieder an. Musikalisch sind die Stücke breit gestreut: Folk, Rock, Pop, hier und da der Sound der Sechziger, bodenständig und immer melodisch. Die Musik nimmt den Hörer leicht mit. Was in diesem Fall gut so ist, denn das führt die Lyrik in den Mittelpunkt, schafft Konzentration auf die Texte. Dem Album Stiekelstrüük hört man an: Da hat einer mit voller Begeisterung für seine Sprache gearbeitet. Plattdeutsch ist alles andere als betulich oder gestrig, sondern sehr lebendig und allemal tauglich für die Lebensgefühle des 21. Jahrhunderts.